Verlorenes Terrain am Stellenmarkt zurückerobern – Mit KI den Mailverkehr organisieren – Als Start-up braucht man eine gute Story
Am 19. November 2025 fand die jährliche Herbsttagung des Bundesverbandes kostenloser Wochenzeitungen auf Schloss Hohenkammer statt.

Für Verlage gibt es zwei Möglichkeiten, auf das Thema Stellenanzeigen zu blicken: Entweder sind sie weitgehend an die großen digitalen Jobportale verloren – oder sie sind ein Schatz, den man mindestens in Teilen wiederfinden und neu heben kann. Für letztere Lesart hatte sich der BVDA mit seinem Fachprogramm anlässlich der BVDA-Herbsttagung am 19. November 2025 in Hohenkammer/Bayern entschieden.
Noch in den Anfängen, verlorenes Terrain der lokalen Wochenzeitungen zurückzuerobern, steckt danach die Anzeiger Verlag GmbH. „Wir haben unseren Kunden angeboten, ihre Stellenanzeigen via Social Media zu verlängern“, berichtet Anja Kalski. Viele Kunden nähmen das Angebot dankbar an, „weil sie sich auf diesem Gebiet nicht auskennen“. 300 Euro zusätzlich kostet die digitale Verlängerung pro Woche, mittlerweile wurde ein mittlerer fünfstelliger Betrag zusätzlich erlöst.
Andreas Rohfleisch von der Niederrhein Nachrichten Verlag GmbH ist mit seinem Team eine „enge Kooperation mit dem Anbieter Jobware eingegangen“, um größere Reichweite auch im Überregionalen zu erzielen. Aus der Erfahrung von Christian Thielen, Verlag für Anzeigenblätter GmbH, „funktioniert der Stellenmarkt in Social Media wirklich gut“. Mittlerweile habe sein Haus über 100 Stellenanzeigen-Kampagnen verkauft, verbunden mit einem Leistungsversprechen: „Wir geben eine Bewerbergarantie. Kommt keiner, gibt es das Geld zurück.“ Eingelöst werden musste das Versprechen noch nie, vielmehr sei die Resonanz sehr hoch, versichert Thielen.

Auch ein paar interne Learnings vermittelt die von Haldun Tuncay, stellvertretender BVDA-Vorsitzender, moderierte Runde: Es sei nicht nötig, eigene Social-Media-Verkaufsteams neben den bestehenden Media-Beratern aufzubauen – vielmehr brauche es Spezialisten für die technische Umsetzung. Entscheidend sei das Mindset. „Wir haben Online Social so standardisiert“, erklärt etwa Enisa Al-Osta (Weiss-Verlag GmbH & Co. KG), „dass jeder es verkaufen kann. Wir müssen uns von der Idee verabschieden, nur Anzeigen zu verkaufen; wir müssen Berater werden.“ Zugleich waren sich alle Panel-Teilnehmenden einig, dass sich durch Social-Media-Angebote auch neue Kundengruppen erschließen lassen – die anschließend oft auch den Mehrwert klassischer Printanzeigen schätzen.
Der Zuwachs im digitalen Stellenmarkt ist auch der größte Treiber für „Umsätze im niedrigen sechsstelligen Bereich“ seit Beginn des Projekts mit dem Funke Online-Konfigurator, wie Dennis Prien von der Funke Publishing GmbH erläutert. Das mit der MediaPeak GmbH entwickelte Tool zur Online-Anzeigenbuchung bietet aus seiner Sicht enorme Vorzüge beim Aufgeben gewerblicher Stellenanzeigen: „Wir machen damit ein risikoloses und unrabattiertes Geschäft. Was an Anzeigen reinkommt, entspricht zu 100 Prozent der Preisliste und ist 24/7 buchbar.“ Obendrein sei auf Verlagsseite kein Invest nötig und die Kundenbeziehung bleibe weiter beim Verlag.
Noch schaut Prien und sein Team jede Anzeige, die auf diesem Weg ins Haus kommt, selbst auf inhaltliche und formale Unbedenklichkeit an. Es sei jedoch nicht auszuschließen, sagt er, dass hier künftig auch Künstliche Intelligenz (KI) zur Unterstützung herangezogen wird. Solcher künstlicher Hilfs- und Ordnungsfunktion bedienen sich bereits die Münchner Wochenanzeiger beim einlaufenden Mailverkehr in der Redaktion. Historisch gewachsen verfüge die Lokalredaktion, zählt Johannes Beetz auf, über 14 Mail-Adressen, über die wöchentlich durchschnittlich 2400 Mails eintreffen, aus denen wiederum rund 620 Beiträge pro Woche entstehen. „Das heißt, drei von vier Mails sind für die Redaktion irrelevant, sie sind nutzlose Zeitfresser.“
Um im täglichen Nachrichtenstrom den Überblick zu behalten und die „Flut an Mails nachhaltig zu kanalisieren“, sortiert nun eine mit der HUP GmbH entwickelte KI-Anwendung die digitale Post, ordnet Daten (etwa Orte, Stichworte, Namen) zu, sichtet die Inhalte, schlägt Überschriften vor und erkennt Duplikate. Im Prinzip legt die KI aus den Inhalten bereits einen vollständigen Artikel an, resümiert Beetz, „aber das Überarbeiten, Recherchieren und Kontrollieren der Inhalte liegt weiter bei der Redaktion“. Für das Team bedeutet der neue Prozess vor allem eines: Entlastung. Die frei werdenden Kapazitäten können nun in andere Projekte fließen – und schaffen Raum für neue Ideen.

Einen kurzen Ausblick auf aktuelle, bereits geplante und möglicherweise zu erwartende Gesetze, Verordnungen und Regulierungen im Bereich der Zustelldienstleistungen für die kommenden Jahre gibt Andreas Schumann vom Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP). „Kalt erwischt“, lässt Schumann dabei wissen, habe ihn der Plan der CDU, die Minijobs abzuschaffen. Dann stünden auch für die kostenlose Wochenzeitungen Mehrbelastungen ins Haus.
Giesinger Bierbrauer-Start-up wird Legende – und was lässt sich für die kostenlosen Wochenzeitungen daraus lernen? Als wiederkehrender Topos zieht sich durch den herzerfrischend direkten Vortrag von Steffen Marx, Giesinger Biermanufaktur & Spez. Braugesellschaft mbH, die Erzählung vom drohenden Ende und dem Wiederaufstehen und Weitermachen. Ziel 1: Gegen die sechs großen Münchner Traditionsbrauereien Boden gut machen und immer mehr Hektoliter Bier verkaufen. Ziel 2: Junge Menschen, die weniger Bier und überhaupt weniger alkoholische Getränke konsumieren, für die eigene Marke begeistern.
Der Schlüssel liege in einer zündenden Story. Und Marx‘ bunte und längst auch in einem eigenen Film verewigte Erinnerungen „Straight Outta Giasing“ vereinen alles, was ein guter Plot braucht: die Gründung in der Garage, gewitzte Aneignungen von Produktionsmitteln (Bierflaschen), fiese Widersacher und viele, viele Unterstützer, die entweder gern zur Kultmarke „Giesing“ greifen oder das Lokale am Start-up mögen. Bisher haben Marx und seine drei Gesellschafter in neun Phasen 12 Millionen Euro von 9.000 Crowdfundern eingesammelt. Doch kurz vor dem 20-jährigen Jubiläum des naturtrüben Kellerbiers im Jahr 2026 wächst der Druck, neue Zielgruppen zu erreichen. „Sind wir nicht mittlerweile zu alt, um die Jungen noch anzusprechen?“, fragt Marx offen. Umso wichtiger werde daher die Marktforschung, die helfen soll, Produkte und Markenauftritt präzise auf veränderte Erwartungen zuzuschneiden. Das nächste große Ziel steht bereits fest: Giesinger möchte offiziell auf dem Münchner Oktoberfest vertreten sein – mit einem eigenen Zelt.
Abschluss und Höhepunkt eines inhaltlich dichten und an Denkanstößen reichen Tages war die Abendveranstaltung im Münchner „teatro“, wo atemberaubende Artistik im Spiegelzelt für ein eindrucksvolles Finale sorgte. Verleger und Mitglied des geschäftsführenden BVDA-Vorstands, Herbert Bergmaier, nutzte den Rahmen, um zahlreichen Kolleginnen und Kollegen sowie langjährigen Wegbegleitern für die erfolgreiche Zusammenarbeit zu danken. Zugleich hob er die fruchtbare Kooperation mit dem BDZV hervor.
Fotos von der Veranstaltung finden Sie in der Bildergalerie.