Die Corona-Krise stellt eine völlig neue Herausforderung dar. Daher gibt es auch zu vielen juristischen Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Krise noch kein klares Meinungsbild und erst recht keine gefestigte Rechtsprechung. Die nachfolgenden Ausführungen geben die Auffassung des BVDA wieder. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Gerichte und Behörden zu den nachfolgenden Fragen andere Auffassungen vertreten als wir.
Corona-Hilfen für Unternehmen
Im Rahmen des Konjunkturpaketes bietet die Bundesregierung verschiedene Corona-Hilfen für Unternehmen an, die die ökonomischen Auswirkungen der Corona-Pandemie abfedern sollen. Im Zuge des zweiten Lockdowns wurden die Hilfsprogramme angepasst und erweitert. Weitere Informationen
Q&A Kurzarbeit
Ein Q&A zum Thema Kurzarbeit, in dem Fragen und Antworten aus dem Webinar "Arbeit organisieren in Zeiten von Corona" zusammengefasst sind, finden Sie hier.
I. Arbeitsrechtliche Fragen
Kostenlose Wochenzeitungen sind Teil der Medien und gehören nach der KRITIS-Strategie des Bundes zur sogenannten kritischen Infrastruktur. Diese ist zwar nicht verbindlich und wird von den Bundesländern teilweise unterschiedlich verstanden. Es ist aber davon auszugehen, dass Presseerzeugnisse aufgrund der großen Bedeutung von Information gerade in Krisenzeiten von einer Ausgangssperre im Einzelfall ausgenommen wären.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann diese Frage nicht belastbar beantwortet werden. Der Erlass von Ausgangssperren in Deutschland fällt in die Kompetenz der Bundesländern. Das bedeutet, dass diese eine entsprechende Vorschrift erlassen müssten. In dieser Vorschrift müssten die Landesregierungen dann auch regeln, welche Bereiche und Berufsgruppen von der verhängten Ausgangssperre befreit wären.
Sofern Ausgangssperren verhängt werden, werden auch Ausnahmetatbestände geregelt. Diese müssen dann im Einzelfall geprüft werden. Wir sind aber vorsichtig optimistisch, dass es auch für die Produktion und Zustellung von Anzeigenblättern eine Ausnahme von den möglichen Ausgangssperren geben wird.
Sollten Mitarbeiter/innen Ihres Unternehmens eine Arbeitgeberbescheinigung benötigen, können Sie hier eine Vorlage für eine entsprechende Arbeitgeberbescheinigung herunterladen. Bitte beachten Sie, dass es sich dabei nicht um einen amtlichen Passierschein handelt.
... insbesondere denjenigen gegenüber, die zu einer Risikogruppe zählen?
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann in Regionen mit einer hohen Anzahl infizierter Personen andere Maßnahmen erforderlich machen als in Regionen mit geringerem Risiko. Richtschnur können die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts sein. In jedem Fall sollten allen Zusteller/innen mindestens folgende Empfehlungen gegeben werden:
• Einhalten der Husten- und Niesregeln,
• gute Händehygiene (d.h. regelmäßig Hände waschen, insbesondere nach Beendigung der Zustellung),
• Händeschütteln mit anderen Personen vermeiden,
• während der Arbeit nicht mit den Händen das Gesicht berühren,
• generell Abstand zu anderen Menschen halten.
Besonders gefährdet sind Zusteller/innen mit relevanten Vorerkrankungen (z.B. des Herzens, der Lunge, mit chronischen Lebererkrankungen, mit Diabetes, mit Krebserkrankung mit geschwächtem Immunsystem oder Atemwegserkrankungen).
Auch ältere Zusteller/innen (mit stetig steigendem Risiko ab etwa 50 bis 60 Jahren) haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe.
... können Arbeitsverträge dann kurzfristig gekündigt werden?
Wenn der Zustellbetrieb dauernd oder für eine für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne eingestellt werden soll, kann der Arbeitgeber die Arbeitsverträge der Zusteller/innen aus betriebsbedingten Gründen ordentlich und fristgemäß kündigen. Die einschlägigen Kündigungsfristen müssen beachtet werden. Außerordentliche und fristlose Kündigungen kommen nicht in Betracht. Was genau unter einer wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitspanne zu verstehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Der BVDA setzt sich in politischen Gesprächen für sinnvolle Lösungen für den Bereich geringfügiger Beschäftigung ein, die dazu beitragen sollen, Kündigungen zu vermeiden und die Liquidität der Verlage zu schützen.
a. Ist ein/e Arbeitnehmer/in – nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses – am Coronavirus erkrankt, so hat er einen ganz normalen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Arbeitgeber hat hier keinen Erstattungsanspruch (ausgenommen kleinere Unternehmen mit regelmäßig nicht mehr als 30 Arbeitnehmer/innen).
Die unter a) genannten Regelungen gelten auch für Zusteller/innen.
... sich aber aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne befinden?
b. Ist ein/e Arbeitnehmer/in nicht am Coronavirus erkrankt, aber aufgrund einer behördlichen Anordnung in Quarantäne, so dürfte ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB bestehen (soweit § 616 BGB im Arbeitsvertrag nicht abbedungen worden ist). Für wie lange dieser Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, ist umstritten (das Meinungsspektrum reicht hier von 2 Arbeitstagen bis zu sechs Wochen). Besteht von vornherein kein Anspruch nach § 616 BGB oder ist dieser Anspruch zeitlich abgelaufen, hat der/die Arbeitnehmer/in nach § 56 Infektionsschutzgesetzt (IfSG) einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat, und zwar für die ersten sechs Wochen in Höhe des bisherigen Nettoentgelts. Der Arbeitgeber hat die Entschädigung in Geld an den/die Arbeitnehmer/in vorzuschießen und kann dann von der Behörde Erstattung verlangen.
Eine Liste der jeweiligen Ansprechpartner nach Bundesland finden Sie hier.
Die unter b) genannten Regelungen gelten auch für Zusteller/innen.
... alle Verlagsmitarbeiter/innen aus dem Homeoffice arbeiten zu lassen?
Eine gesetzliche Verpflichtung dazu, allen Mitarbeiter/innen die Fortsetzung der Arbeit aus dem Homeoffice anzubieten, besteht nicht. Angesichts der Aufforderung durch Gesundheitsexperten und der Politik, soziale Kontakte auf das Mindestmaß zu begrenzen, sollte in jedem Betrieb geprüft werden, welche Tätigkeiten mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten sinnvoll als Heimarbeit geleistet werden können. Homeoffice-Regelungen können die Auswirkungen von Ansteckung und Erkrankungen auf den Betrieb minimieren. Für Tätigkeiten, die ihrer Art nach nicht aus dem Homeoffice auszuführen sind, sollten möglichst alternative Lösungen in Absprache mit den Mitarbeiter/innen gefunden werden. Diese können beispielsweise eine schichtweise Besetzung von Büroräumen oder Produktionsstätten betreffen, um eine Häufung an Personen an einem Ort zu vermeiden. Feste Schichtmodelle getrennter Gruppen können zudem den Vorteil bieten, dass nicht alle Mitarbeiter/innen gleichzeitig von Quarantänemaßnahmen betroffen wären, sobald ein/e Mitarbeiter/in erkrankt.
Die Bundesregierung hat einen neuen "Arbeitsschutzstandard COVID 19" vorgestellt. Dieser formuliert konkrete Anforderungen an den Arbeitsschutz in Zeiten der Corona-Krise und bietet nun auch den Verlagen eine verbindliche Orientierung. Alle wichtigen Informationen zu diesem Thema finden Sie in unserer Rubrik Arbeitsschutzstandard COVID 19.
... aktiv empfehlen, ihrer Tätigkeit weiter nachzugehen?
Ja, aus unserer Sicht kann man das grundsätzlich empfehlen, soweit die Zusteller/innen nicht zu den Risikogruppen gehören. Die Hinweise zur Fürsorgepflicht (siehe Frage 2) sollten aber auf jeden Fall beachtet werden.
... (z.B. Aufenthalt in einem Hochrisikogebiet) nach Hause schickt, ohne dass eine offizielle Quarantäneanordnung besteht?
Hier sind keine Präzedenzfälle bekannt. Zunächst sollte der Arbeitgeber prüfen, ob eine Beschäftigung in Homeoffice möglich ist.
Orientiert man sich an den Regelungen für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, lässt sich gut vertreten, dass kein Anspruch auf Vergütung besteht, sofern sich der/die Mitarbeiter/in der Gefährdung vorsätzlich oder fahrlässig ausgesetzt hat (wie bei einer Urlaubsreise in benannte Risikogebiete). Wie ein Arbeitsgericht diesen Fall beurteilen würde, ist jedoch unklar.
... in diesem Fall kündigen?
Hier gilt im Grundsatz: Wer nicht arbeitet, hat auch keinen Vergütungsanspruch. Derzeit ist nicht davon auszugehen, dass die Zustelltätigkeit eine besondere Gefährdung darstellt. Bloße Angst ist kein Grund zur Arbeitsverweigerung, daher hat der/die Zusteller/in hier auch keinen Anspruch auf Vergütung. Anders könnte die Situation eventuell zu bewerten sein, wenn der/die Zusteller/in im Hinblick auf das Coronavirus besonders gefährdet ist (z.B. Vorerkrankungen im Bereich der Atemwege hat).
Eine Kündigung kommt – wenn überhaupt – nur nach vorheriger Abmahnung in Betracht. Da der Arbeitgeber ja aber keine Vergütung zahlen muss, stellt sich die Frage, ob eine Kündigung überhaupt erforderlich ist.
Auch die Ausgangsregelungen/Kontaktsperren dürften der Zustelltätigkeit nicht entgegenstehen, da sie eine Arbeitstätigkeit ist und zudem alleine an der frischen Luft ausgeführt wird.
II. Vertragsrechtliche Fragen
... von Seiten der Verlage (z.B. gegenüber Druckereien) verfahren? Behalten die üblichen vertraglichen Regelungen in der aktuellen Situation noch ihre Gültigkeit?
Diese vertragsrechtlichen Fragen können leider nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in jedem Einzelfall beantwortet werden. Die Antworten dürften insbesondere davon abhängen, welche vertragliche Regelungen mit den Werbekunden/Druckereien getroffen worden sind. Wir empfehlen hier, bei Bedarf juristische/anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
III. Katastrophen- und Bevölkerungsschutz
... für die Mitarbeiter/innen im Verlag, die Presseprodukte erstellen und die Verteilung organisieren, dass sie die staatlich geregelte Notfallbetreuung für ihre Kinder in Anspruch nehmen können?
Welche Personen Anspruch auf Notfallbetreuung ihrer Kinder haben, regelt jedes Bundesland für sich. Der Personenkreis muss nicht notwendigerweise deckungsgleich mit den KRITIS-Bereichen des Bundesinnenministeriums sein, viele Bundesländer lehnen sich jedoch daran an. So rechnen z.B. die Länder NRW, Baden-Württemberg und Bayern auch den Sektor Medien bzw. Presse explizit den kritischen Infrastruktur zu, so dass den dort beschäftigten Arbeitnehmer/innen grundsätzlich ein Anspruch auf Notfallbetreuung zukommen kann. Als Beschäftigte im Bereich der Medien bzw. Presse gelten nicht nur Redakteure und Journalisten, sondern alle tätigen Personen, die für die Funktionsfähigkeit des systemrelevanten Bereichs erforderlich sind.
Voraussetzung für einen Anspruch auf Notbetreuung ist aber nicht nur, dass der/die Arbeitnehmer/in selbst einer kritischen/systemrelevanten Tätigkeit nachgeht, sondern auch, dass die Kinderbetreuung nicht anderweitig (z.B. durch den anderen Elternteil) sichergestellt werden kann. D.h. im Regelfall müssen beide Elternteile in kritischen/systemrelevanten Berufen tätig sein. Bei Alleinerziehenden genügt es, wenn ein Elternteil betroffen ist. Sollten Mitarbeiter/innen Ihres Unternehmens eine Notbetreuung für ihre Kinder in Anspruch nehmen wollen, können Sie hier eine Vorlage für eine entsprechende Arbeitgeberbescheinigung herunterladen.
Wir empfehlen Ihnen, sich bei Ihren regional zuständigen Krisenstäben oder Behörden nach den geltenden Regelungen für Ihr Personal zu erkundigen.
... dürfen Mitarbeiter/innen also weiter in den Verlag und die Druckereien kommen? Dürfen Zusteller/innen dann noch verteilen?
Sofern Ausgangssperren verhängt werden, werden auch Ausnahmetatbestände geregelt werden. Wie genau diese Ausnahmetatbestände dann aussehen werden, bleibt abzuwarten. Für den Fall, dass eine Ausgangssperre kommt, sind wir aber vorsichtig optimistisch, dass es auch für die Produktion und Zustellung von Anzeigenblättern eine Ausnahme von einer Ausgangssperre geben wird.
... die eine solche Ansteckungsart befürchten?
Auf diese Frage gibt es derzeit nach unserem Kenntnisstand derzeit keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse. Der häufigste Infektionsweg scheint direkt von Mensch zu Mensch zu laufen. Eine Übertragung über Gegenstände dürfte eher eine Nebenrolle spielen, kann aber wohl nicht ausgeschlossen werden.
Die Bedenken Ihrer Zusteller/innen sollten unabhängig von einer medizinischen Beurteilung ernst genommen werden. Suchen Sie das Gespräch mit Ihren Zusteller/innen und überlegen gemeinsam, welche Maßnahmen sich neben den üblichen Hygienehinweisen für Sie eignen (z.B. Nutzung von Einmalhandschuhen).
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt: Die wichtigsten Hygienetipps sind: Abstand halten von Erkrankten, richtig husten und niesen, Hände vom Gesicht fernhalten und regelmäßig gründlich Hände waschen.
Diese Informationen dienen lediglich der Orientierung und ersetzen ausdrücklich keine rechtliche sowie steuerrechtliche Beratung.