I. Zivilrecht
Die Bundesregierung hat für Unternehmer und Einzelunternehmer sowie Kreditinstitute verschiedene wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Für den Bereich des Zivilrechts wird mit dem geplanten Gesetz ein Moratorium für die Erfüllung vertraglicher Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen mit Ausnahme der Mietverhältnisse eingeführt werden, das betroffenen Verbrauchern und Kleinstunternehmern, die wegen der COVID-19-Pandemie ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbringen können, einen Aufschub gewährt. Damit wird für diese Personengruppen gewährleistet, dass sie insbesondere von Leistungen der Grundversorgung (Strom, Gas, Telekommunikation, soweit zivilrechtlich geregelt auch Wasser) nicht abgeschnitten werden, weil sie ihren Zahlungsverpflichtungen krisenbedingt nicht nachkommen können.
Das Gesetz sieht die Erleichterungen mit Ausnahme der Regelungen zu Mietverhältnissen grundsätzlich nur für Verbraucher und Kleinstunternehmer vor.
Nach § 13 BGB ist als Verbraucher jede natürliche Person zu qualifizieren, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Hiervon erfasst sind damit Personen, die „privat“, d.h. für persönliche Zwecke eine vertragliche Bindung eingehen und durch den Gesetzgeber - etwa aufgrund fehlender Erfahrung im Geschäftsverkehr - geschützt werden müssen. Für die Definition des Kleinstunternehmens verweist das Gesetz demgegenüber auf die Empfehlung 2003/361/EG der Europäischen Kommission. Nach Artikel 2 Abs. 3 der Empfehlung wird ein Kleinstunternehmen als Unternehmen definiert, das weniger als 10 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz EUR 2,00 Mio. nicht überschreitet.
Für Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume wird das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch für Gewerberaummietverträge. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 01. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen. Dies gilt für Pachtverhältnisse entsprechend. Gestundete Zahlungen müssen nachgeholt werden.
Im Hinblick auf Verbraucherdarlehensverträge wird nach Artikel 240 § 3 eine gesetzliche Stundungsregelung und eine Vertragsanpassung nach Ablauf der Stundungsfrist eingeführt, mit der Möglichkeit für die Vertragsparteien, eine abweichende Vertragslösung zu finden. Flankiert wird dies von einem gesetzlichen Kündigungsschutz. Dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird nach § 3 Absatz 8 die Möglichkeit eingeräumt, im Wege einer Verordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Regelungen auf weitere Gruppen von Darlehensnehmern zu erstrecken.
Sollte absehbar werden, dass die Maßnahmen zeitlich ausgedehnt werden müssen, so ist der Bundesregierung nach Artikel 240 § 4 die Möglichkeit eingeräumt, die vorgesehenen Befristungen im Wege einer Verordnung zu verlängern.
Die Änderungen im Zivilrecht werden am 1. April 2020 in Kraft treten.
II. Insolvenzrecht
Die Insolvenzantragspflicht und die Zahlungsverbote werden bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt, es sei denn, die Insolvenz beruht nicht auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie oder es besteht keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt ab 1.Oktober nur noch für überschuldete Unternehmen. Zahlungsunfähige Unternehmen fallen ab Oktober nicht mehr unter die von der Bundesregierung beschlossene Ausnahmeregelung.
Es gilt damit Folgendes: War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, so wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Zugleich sollen Anreize geschaffen werden, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen. Flankierend hierzu wird für einen dreimonatigen Übergangszeitraum auch das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen.
Von besonderer Relevanz ist zudem die Lockerung der Zahlungsverbote. Zwar sind Zahlungsverbote, nach denen Geschäftsführer/innen für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife persönlich haften, nicht grundsätzlich suspendiert. Liegen jedoch die Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor, werden auch die Zahlungsverbote gelockert, sodass solche Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters als vereinbar anzusehen sind und keine (!) Haftung auslösen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht führt zugleich dazu, dass das Risiko einer künftigen Insolvenzanfechtung weitgehend ausgeschlossen wird. Die bis zum 31. Dezember 2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraums gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite gelten als nicht gläubigerbenachteiligend und können nicht angefochten werden. Selbst die Rückführung von Gesellschafterdarlehen genießt den Schutz vor einer späteren Anfechtung. § 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 44a InsO finden insoweit in Insolvenzverfahren, die bis zum 31. Dezember 2023 beantragt wurden, keine Anwendung.
III. Gesellschaftsrecht
Um die betroffenen Unternehmen verschiedener Rechtsformen in die Lage zu versetzen, auch bei weiterhin bestehenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten erforderliche Beschlüsse zu fassen und handlungsfähig zu bleiben, werden vorübergehend substantielle Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften (AG), der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), des Versicherungsvereins a.G. (VVaG) und der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) sowie für Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie Mitgliederversammlungen von Vereinen geschaffen.
Für die Aktiengesellschaft (AG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die Europäische Gesellschaft (SE) sowie die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG) sieht das Gesetz zunächst vor, dass der Vorstand auch ohne Ermächtigung durch die Satzung entscheiden kann, dass die Versammlung ohne physische Präsenz als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird, sofern die im Gesetz bezeichneten Erfordernisse (d.h. insbesondere eine Bild- und Tonübertragung sowie eine Stimmrechtsausübung über elektronische Kommunikationswege) erfüllt sind.
Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) können abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG die Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Stimmabgabe auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter, das bislang - sofern keine abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag existiert - erforderlich war, gefasst werden.
Die Änderungen erleichtern damit für die Dauer ihrer Geltung, die zunächst auf Versammlungen im Jahre 2020 Anwendung finden, die gesellschaftsrechtlich erforderliche Abwicklung der Belange der Gesellschaft.
Für Genossenschaften und Vereine werden ebenfalls Erleichterungen geschaffen, etwa die Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz sowie die Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen. Im Übrigen werden Regelungen für den vorübergehenden Fortbestand bestimmter Organbestellungen (etwa: Vorstand) geschaffen. Diese bleiben solange bestehen, bis die Organe abberufen werden oder ein Nachfolger gewählt wurde.
Die Änderungen im Gesellschaftsrecht treten am Tag nach der Verkündung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2021 wieder außer Kraft.
Quelle: RA Ralf Wickert (Rechtsanwaltsgesellschaft Dornbach GmbH)
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